Dienstag, 20. März 2012

Wuppertal 7: Köln

Die einen schauen ins Buch die anderen ins Kreuz

Ein Philosoph dessen Zug Verspätung hat, bemerkt, dass der Bahnhof hier seit 50 Jahren, „einem halben Jahrhundert“, wie er sagt, nicht mehr erneuert worden ist. Und dass hier überhaupt alle Bahnhöfe veraltet seien. Neue Bahnhöfe gäbe es in Berlin, aber hier nicht. Auch das deutsche Schienennetz sei überhaupt nicht gemacht für diese Auslastung. Kein Wunder dass sich alle Züge hier immer verspäten. Bevor der um 25 Minuten verspätete Zug ankommt, sagt er noch, dass er eigentlich lieber mit dem Zug reist als im Flugzeug.

Auf den Nummernschildern der Autos von Wuppertaler/innen steht das nicht ganz so vertraute aber doch heimische „W“. Die Autos der Kölner/innen haben das noch heimischere „K“ am Nummernschild.

Ein unhöflicher Taxifahrer am Flughafen fragt mich, warum ich die Strecke nicht zu Fuß gehe. Er fragt, ob ich mit dem Flugzeug gekommen bin. Ich sage, dass ich nicht mit dem Flugzeug angekommen bin, sondern mit der Bahn, nicht mit dem Zug sage ich, sondern mit der Bahn in Köln angekommen und dass ich nur die Adresse des Hotels weiß und nicht, wie ich dorthin komme, weil ich mich hier nicht auskenne. „Ja, das sieht man“, sagt er.

Spätere ärgere ich mich, dass ich ihm Trinkgeld gegeben habe. Google Maps hat mir im Wuppertaler Hotel fünf Kilometer Fußwegdistanz berechnet. Entschieden zu weit.

Kölner Dom, Kölner Hauptbahnhof, Kölner vierspurige Autostraße, alles gemeinsam an, fast auf einem Punkt. Viele Menschen, sonnig, viel zu hell, viel zu warm. Ich trage einen schweren Rucksack und eine Jacke, die ich nur ungern ausziehe.


Ich fotographiere drei Japanerinnen, die mich darum bitten, vor dem Dom.


Am Abend werde ich in einem Restaurant alleine mit der Kellnerin sibirische Pelmeni mit Hackfleisch essen. Am Weg dorthin: Wohnhäuser mit Garagen und gepflegten Gärten. Viele haben das Licht an, wenige haben Vorhänge zugezogen. In den Häusern Menschen in Küchen beim Kochen, flackernde Fernsehapparate (weitgehend Werbung). Ein Haus scheinbar Student(/?)innen-WG, alle Fenster mit irgendwas behangen: Schuhen, Girlanden, Weihnachtsdekoration. Im Küchenfenster zwei Studentinnen (?) die herumhüpfen und singen (?).

Im Dom in Köln ist es weniger heiß und dunkel. Vier Jahre lang war der Dom das höchste Gebäude der Welt. Wenn man durch die Pforten … ja, wenn man durch die Pforten ... Diese Pforten sind verziert mit dutzenden kleiner Figuren, alle als Stein gehauen. Schon bevor man durch die Pforte geht, hat man den Kopf nach oben geneigt, um diese Verzierungen anzuschauen. Und am Boden sitzen Punks und Bettler, die nach Kleingeld fragen oder auch nur einen Becher etc. aufgestellt haben. Ich frage mich, wer die am Boden Hockenden sehen soll, wenn alle nur nach oben schauen. Und wenn man durch die Pforten eintritt, sieht man, wie hoch der Dom innen ist: Zwei Reihen hoher gotischer Säulen, die aufeinander stehen. Unten Säulengang, oben Fenster.

Eine spürbare Halsverrenkung, als ich den Dom wieder verlasse, die mich, wie auch das K an den Nummernschildern, wieder an den Riss in K denken lässt.

Nur Hochformat-Fotos

Montag, 19. März 2012

Wuppertal 6: Antworten

Frühstücksradio Wuppertal spielt Lady Gaga und Michael Jackson, wohl ist heute ein Tag an dem viele Gäste abreisen. Die Zimmertüren im Gang des dritten Stocks stehen alle offen.

Am Abend beim Essen meine unphilosophische Frage, warum Wuppertal so kaputt aussieht / Bemerkungen über die Fahrt nach Westende. Mir wird die unphilosophische Antwort gegeben, dass Wuppertal eine der ärmeren Städte in Deutschland ist.

Nach etwa einer Stunde ging dem Restaurant das Bier aus.

Samstag, 17. März 2012

Wuppertal 5: Ich und die Nacht

Radio Wuppertal spielt zum Frühstück wieder Faithless (I can't get no sleep). Trotz einer recht weichen Matratze und einem Zimmer mit Fenster, das direkt auf die Schwebebahnstation blicken lässt, von der aus man den kürzesten Weg zum Bahnhof hat, ist mein Schlaf beruhigt monoton.

Nachtrag: Weil es dazu keine Fotos von mir gibt, folgender Linktipp zur dreiteiligen Fotoserie It always rains in Wuppertal

Wuppertal 4: Essen an der Bergischen U.

Die Mensa der Uni Wuppertal befindet sich im Gebäude ME. Vom Zugang zu ME aus hat man eine nette Aussicht, aber wo ist die Mensa? Ich sehe den Eingang zu einer Kneipe namens „Kneipe“. Eine Runde um das Gebäude, ich finde nichts anderes: Die Kneipe muss wohl die Mensa sein.


Darin bin ich bin verwirrt. Drei von geschätzten 40 Tische sind besetzt. Besonders groß ist sie nicht, die Kneipenmensa, aber besonders viele Leute sind schließlich auch nicht hier. Radio Wuppertal spielt Punk-Rock, Techno und Nachrichten. Die Dame an der Theke telefoniert gerade und ruft einen jungen Koch mit charakteristischer Kochmütze aus der Küche, vielleicht ist er auch verwirrt. Ich bestelle zum Trinken eine Multivitaminschorle, was er nicht versteht; „Multischorle“ hätte ich sagen sollen. Ich frage ihn, wie ich etwas zu Essen bestellen kann und er meint, dass ich das an der Theke sage. Und ich frage, wie ich das Essen dann bekomme und er meint, dass ich das Essen bezahle und einen Pager bekomme, den ich mit an den Tisch nehmen soll. Wenn das Essen fertig ist und der Teller von ihm auf ein beleuchtetes Podest an der Theke gestellt wir, dann vibriert der Pager und ich soll wieder zur Theke kommen. Unsagbar kompliziert, aber billiger als in Klagenfurt.
Das Podest ist solange unbeleuchtet, bis ein Teller darauf gestellt wird. Und wenn es soweit ist, dann blinkt und vibriert mein Pager. Der Teller mit Essen steht am Podest wie Dieter Bohlen (der steht ja auf beleuchteten Podesten, oder?).

Guten Appetit

Donnerstag, 15. März 2012

Wuppertal 3: Bergische Universität Wuppertal

Campus Wuppertal. Es gibt drei, genauer gesagt vier Buslinien, die Interessierte und Bedürftige von der Wuppertaler Innenstadt an die Universität Wuppertal bringen: 645, 615, 603 und den Uniexpress. Leider nur gibt es keine Haltestellen beim Bahnhof (oder ich finde keine) dieser Linien. Macht nichts, gleich nach einer Brücke, die über die Schienen der Deutschen Bahn führt, befindet sich eine Haltestelle, an der die Busse 645, 615 und 603 stehen bleiben. Von dieser Haltestelle aus könnte man die Universität sehen, die wie eine Festung am Gipfel eines verbauten Hügels steht; allerdings versperrt ein Kirchturm den Blick auf die gesamte Universitätsanlage. Der Kirchturm ist mit einem Gerüst eingebaut. „Passend“, denke ich.


Stellen Sie sich vor: The last student on earth. Schon 57 Semester, immer noch nicht fertig, kein Mensch mehr ist an der Uni, kein Mensch interessiert sich mehr dafür. Leere Gänge, nur mehr wenige Büro sind besetzt. Es gibt viele Spinnweben, man hört nur das Rauschen und Brausen in den Rohren, die durch das Gebäude verlegt worden sind und das Hallen der eigenen Schritte.

Erst nach einem aufklärenden Telefongespräch wird mir gesagt, dass deutsche Student/innen Ferien haben. Die Dame in einem Unicafe (die dort den ganzen Tag alleine ist) hat mir gesagt, dass die Ferien noch bis 1. April dauern „Drei Wochen noch“ hat sie gesagt. „Drei Wochen noch Langeweile“ hat sie gesagt.

Die Gebäude der Universität haben Buchstaben, A, B, C usw. (und ein paar zusammengefallene wie TZ, ZH oder HI etc.). Immer noch habe ich keinen Platz mit Bänken oder Sesseln gesehen. Die Universität wird von einer Straße in wenigstens zwei Teile durchschnitten. In der Mitte des Campus steht eine Bushaltestelle.
Einzelne Gebäudekomplexe sind unterschiedlich alt. Einige sind charmant abgenutzt, andere modern und menschenleer. Ich bin im modernen und menschenleeren Teil.


Wussten Sie: Als Einwohner einer Stadt, die nach dem 2. Weltkrieg weggebombt war, mussten sich die Wuppertaler/innen entscheiden: Entweder wird eine Oper gebaut oder ein Hallenbad. Entschieden wurde, ein Hallenbad zu bauen. Durchaus unentschlossen ist das Hallenbad allerdings Oper genannt worden.

Wuppertal 2: Über der Wupper

Radio Wuppertal spielt im Frühstücksradioprogramm Faithless.

Vormittag war frei, ich bin in die Schwebebahn eingestiegen. Was habe ich gemacht? Die Einschienenbahn. Was? Einschienenbahn!

Wer in der Wuppertaler Einschienenbahn fährt, schwebt und schaukelt in einem Waggon direkt über dem Wasser der Wupper durch die Stadt. Und wer mich kennt, wird vielleicht vermuten, dass mir so etwas gefällt. In den Kurven lehnt sich der Waggon leicht in eine Richtung und man muss sich an den Haltestangen festhalten.
Das Ufer der Wupper schmeichelt den Kaputten: Irgendwie abgelebt und dreckig, irgendwie Baustelle und irgendwie trotzdem bewohnt. Die Waggons schweben vorbei an Häusern mit heruntergebrochenen Balkonen und eingestürzten Dächern. In den Gärten der Häuser liegt Abfall, Anhäufungen von Einkaufwägen und Autoreifen. Ein Haus hat eine groteske Außenwendeltreppe, die von dem verdreckten Garten zu einem Fester im ersten oder zweiten Stock führt. Es gibt eingeschlagene Fenster und andere, solche, die den Blick auf Büroräume zulassen, in denen Menschen mit Kurzärmelhemden vor Computern sitzen und arbeiten – alles in unmittelbarer Nachbarschaft. Zwischen Industrieruinen sehe ich sehe ein Tanzstudio, einen Kindergarten, Büro-, Lager-, und Wohnanlagen.

Mir kommt die Vermutung, dass die Wupper auch höheres Wasser führen könnte.

In einer Gegend, die mir irgendwie gefallen hat, bin ich dann ausgestiegen. Fans von Ex-Drummer, Herman Brusselmans oder diesem Belgier, der die verfallenen Häuser fotographiert kennen Ostende. Das ist eine Stadt in Belgien, die mir nur bekannt ist, weil die drei vorgestellten Quellen sie als besonders heruntergekommen darstellen. Alles kaputt und geschlossen, die Leute dort sind arbeitslos und reden flämisch. Sie können es sich vorstellen. In Wuppertal gibt es Westenede.


Wuppertal Westende, Wohnen im Stil des viktorianischen Englands: Backsteinmauern, Fabriksschlote und ein Fluss, der dazwischen durchfließt und den Dreck wegspült. Die Mauern sind mit Graffiti besprüht, Tags und Schmierereien. Zu lesen ist: LOVE IS FOR EVERYONE / WUPPERTAL / DU SOLLST DEINE STADT NICHT BESCHMUTZEN.

In Westende geht jemand mit seinem Hund spazieren und sagt mir „Guten Morgen.“ Ich sehe am Boden die Schalen einer frisch geschälten Orange und in den Fenstern Zettel mit der Aufschrift „Geschäftslokal zu vermieten“. Die Leute an der roten Ampel drücken auf den Knopf, damit die Ampel auf grün umschaltet; sie warten auch wenn kein Auto kommt.

Sie kennen die Stellen: Mauthner schreibt: „Die Sprache ist geworden wie eine große Stadt. Kammer an Kammer, Fenster an Fenster, Wohnung an Wohnung, Haus an Haus, Straße an Straße, Viertel an Viertel, und das alles ist ineinander geschachtelt, miteinander verbunden [...] und Wittgenstein schreibt: „Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gäßchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern.“

Auch in Westende habe ich keine Plätze gesehen, nur Straßen und Kreuzungen. Und obwohl es keine Plätze gibt, stehen hier und da kleine Menschentrauben, die miteinander plauschen. Der Mauthner erwähnt nur Häuser und Straßen. Bei Wittgenstein gibt es auch Plätze. Vielleicht war es doch nicht so verkehrt, Fritz Mauthner nach Wuppertal zu holen.

Wohnen im Stil des viktorianischen Englands (auch wenn ich hinter den Mauern Desingerlofts vermute)



Auch das ist San Francisco

Montag, 12. März 2012

Wuppertal 1: Ankunft

Ich weiß nicht, ob unbedingt willkommen, aber sie ist da: Die Unterbrechung. K. kümmert sich um die Räume, ich bin ganz woanders und kümmere mich um meine Diplomarbeit und das Denken über Fritz Mauthner.

Wussten Sie: Durch Wuppertal fließt die Wupper.

Der Karsten Krampitz und der Wawerzinek (sein Vorname fällt mir grad nicht ein, ist auch nicht so wichtig sich den zu merken - seine Texte sind dämlich und nerven) haben dieses Buch zusammen geschrieben, Crashkurs Kärnten. Beide waren ja „Stadtschreiber“ von Klagenfurt, d.h. dass sie eine Wohnung im Europahaus zur Verfügung gestellt bekommen haben und dort für ein halbes Jahr oder so wohnen und schreiben konnten.
Ich bin jetzt ein paar Tage in Wuppertal, aber weder als Stadtschreiber noch eingeladen. Was mir am Crashkurs Kärnten gefallen hat, ist dass der KK und der ?W Dinge beschreiben, die mir nie aufgefallen wären; dass man z.B. sagt „passt schon“ - bei jeder Gelegenheit. Und dass man das anderswo eigentlich nicht macht. Etc, etc.

Wussten Sie: Wuppertal liegt in Nordrhein-Westfahlen, wird „San Francisco Deutschlands“ genannt (weil es so steile Straßen gibt) und hat laut Wikipedia 349.721 Einwohner/innen (in Klagenfurt wohnen laut Wikipedia 94.303).

Also, was fällt mir auf?

Hungrig war ich, gefunden hab ich auch eine „Kneipe“, wie mir in einer SMS von K. als Name nahe gelegt wurde, allerdings erst nach einigem Suchen. Eigenartig ist es, dass ich keine Plätze gesehen habe. Scheinbar gibt es in Wuppertal nur Straßen. Keine Cafés oder Sitzgärten, in denen man herumlungern kann, überall nur Straßen. Außerdem eine Menge Baustellen und die spektakuläre Schwebebahn.

Habe zum ersten Mal Pfannkuchen gegessen. Dachte mir „Und davon soll ich satt werden?“ und musste nach zwei Dritteln des Kuchens kämpfen. Ziemlich, ziemlich deftig.

Sonst in Vorbereitung für Fritz Mauthner: An den Grenzen der Sprachkritik / internationale Tagung von 13. bis 15. März an der Universität Wuppertal.

Die Wupper

Kunst in Wuppertal (aber vielleicht kein echter Mark Jenkins)

K. & ich haben besser angemalen

Die spektakuläre Schwebebahn ... fährt immer wieder vor meinem Hotelfenster vorbei

Freitag, 9. März 2012

Hand- und Hausarbeit 5: Der Riss 1

„Im Unterschied zu all den anderen Gegenständen […] war [der Riss, Anm.] […] etwas, das man nicht besitzen konnte; der Riss besaß einen, wenn überhaupt. Aber seine eigentliche Natur war die völliger Unbegreifbarkeit, jenseits aller Fragen von Besitz.“


Im Roman Die Frequenzen von Clemens J. Setz ist der Riss in der Beziehung zwischen Alexander Kerfuchs, einem der Hauptprotagonisten, und seinem Vater ein so zentrales Element, dass eines Tages ein solcher Riss in der Kellerwand zu sehen ist. Von Gaston Bachelard wissen wir, dass der Keller nicht nur Symbol für das Unterschwellig-Unbewusste sein soll, sondern das Unbewusste des Hauses ist.

Auf Seite 102 der fetten und teuren Residenz-Ausgabe der Frequenzen steht:

[Der Riss] erschien eines Morgens plötzlich an einer Kellerwand, erstreckte sich bis zum Rand eines alten Regals, in dem längst nicht mehr verwendete Geräte und Werkzeuge lagerten. Und vielleicht hörte er da auch auf.
Er tat es nicht.
Mein Vater, verschwitzt, seine Hände schmutzig und müde vom Verrücken des schweren Eisenregals, betrachtete das Ausmaß des Risses. Die ganze Wand entlang. Meine Mutter und ich standen im Hintergrund, hilflose Statisten, die auf das nächste Stichwort des Regisseurs warteten.
– Dreck, sagte mein Vater. Verdammter Dreck.
– Da hintern hört es vielleicht auf, sagte meine Mutter.
– Unsinn. Der geht immer weiter. Dass da die Wand ist, bedeutet nichts.“


Soll einmal eine/r so genau schauen dass sie/er alles sieht! Vielleicht hätte ein Sherlock Holmes oder Dr. House den Riss gesehen, ich aber nicht. Trotzdem war er da. Nicht an einer Wand, im Keller, sondern an der Decke des Schlafzimmers. Vom Bachelard wissen wir auch, dass die Vernunft (als Über-Ich) oben wohnt, im Idealfall im Dachgeschoss. Und jetzt wird es wild: Unten, dort wo man liegt, wenn man sich jemanden zu Füßen wirft, da unten liegt das Chaos, die Unordnung, das Unbewusste, das Menschliche (Georges Bataille würde das sofort bestätigen). Oben, dorthin wo man schaut, wenn man seinen Kopf nach hinten legt, um nachzudenken, da wohnt die Vernunft. Im Haus der Lüge von den Einstürzenden Neubauten wohnt sogar der erschossene Gott im Dachgeschoß!
Dort im Schlafzimmer, dem Zimmer des Schlafes, ist die Oberdecke von einem Riss durchzogen, der sich über jene Fläche zieht, zu der man hinaufschaut, wenn man die Vernunft sucht.
Der einzige Trost ist, dass Goya gesagt hat, dass der Schlaf der Vernunft (d.h. auch der Riss in der Vernunft) die Ungeheuer gebiert.

Im Gegensatz zu Holmes und House habe ich den Riss nicht gesehen, weil er mit bloßem Auge nicht zu sehen war. Stellenweise hatte die Decke des Schlafzimmers eigenartige Beulen und Ritzen. Ich bin mit einer Leiter hinaufgestiegen und hab gesehen, dass man seinen Fingernagel in die Ritze hineinstecken kann. Zerreisprobe Deckenfarbe – und eine doch recht große Scholle Farbe und Putz löste sich.

Anruf Verwandtschaft und der Ratschlag, die herunterhängende Farbe, das ganze Theater abzukratzen und das Darunterliegende mit einer Spachtel freilegen.

Wie man das große Problem freilegt, das hinter kleinen Problemen steckt.

Dienstag, 6. März 2012

Hand- und Hausarbeit 4

actionTagelang weiß

Hand- und Hausarbeit 3: Ausmalen 3

Doing it right

Utensilien:
Spachteln
Schleifpapier
So kleine Holzstücke
Pinsel, große und kleine / Rollen, große und kleine
Stangen
Kreppband
Leiter(n)
Farbe
Kübel mit Wasser
Tücher, Putzfetzen
Gute Unterlagen
Handschuhe … wer nach dem Malen gleich ins Büro oder in die Lehrveranstaltung muss, sollte auch entsprechende „Arbeitskleidung“ tragen. Bei männlichen Bankern ist die Arbeitskleidung Anzug und Krawatte.
Irgendwas zum Umrühren, einen Holzstab – nicht zu dünn!
So Abrollplastik, das man in den Farbkübel steckt

Zur Einstimmung YouTube. Vor allem Herr Manfred Sänger von Hornbach gibt gute Ratschläge (auch wenn er nicht weniger nervt als die Elendsgestalten in den anderen Videos)







Vergewissern Sie sich dass tatsächlich alle Löcher verspachtelt sind. (die Löcher, die man übersehen hat, werden überpinselt) … außerdem haben sie das letzte Mal Gelegenheit, die vergessenen Stellen mit Kreppband abzupicken.

Zuerst müssen mit einem Pinsel die Deckenkanten gemalt werden. Genau genommen, muss zuerst alles bereitgestellt werden. Leiter aufstellen, darauf achten, dass die Leiternfüße die Folie nicht zerreisen (im Kellerabteil lagen alte Teppiche, zusammengeschnorrt habe ich mir auch riesige Pappendeckel).
Den Farbeimer aufmachen und kräftig umrühren. Ich habe keine Ahnung, was ich für eine Farbe verwendet habe, die K. hat gemeint „Die da passt“. Erstaunt war ich nur, wie scher so ein Eimer ist. 10 Liter Farbe und mehr als 10 Kilo? Ich denke schon.
„Dispersionsfarbe“ wird dazu gesagt, das ist ein schönes Wort, von dem ich allerdings keine Ahnung, was es bedeutet und erklärt hat es mir auch niemand. (genau genommen habe ich sogar „Disparsionsfarbe“ geschrieben, dann aber doch nach der richtigen Schriebweise gegoogelt.
Angeblich kann man die Farbe auch mit Wasser verdünnen.

Also:
Zuerst müssen mit einem Pinsel die Deckenkanten gemalt werden. Leiter, Eintunken, Anmalen. Die Farbe nicht zu dick auftragen!

Dann kommen die Decken dran: Dafür braucht man die Malerrollen (ein Werkzeug, das mE sehr interessant aussieht). Die Rolle kann am Teleskopstil montiert werden, auch wenn sie nicht so super hineinpasst. Das gute alte Kreppband verbindet Rolle mit Teleskopstil.
Das Arge am Ausmalen der Decke ist, dass die Rolle echt sehr fest angedrückt werden muss. Also sehr fest sogar. Ich hab das gemacht, wie Herr Hornbach erklärt hat: Zuerst die Farbe gerade einmal so, und einmal gleich so daneben auftragen. Dann längs (oder quer, das ist egal) verstreichen (FEST ANDRÜCKEN!) und dann noch einmal gerade (WIEDER FEST ANDRÜCKEN). K & ich der Meinung, dass es umso besser aussieht, je öfter man am Ende wieder gerade drübermalt.
Irgendwann tut einem alles weh vom Fest andrücken. Außerdem ist das irgendwie auch ärgerlich, weil die Farbe dauernd ins Gesicht spritzt: Wer denkt „ich gebe jetzt mehr Farbe auf die Rolle, damit es schneller geht und ich weniger eintunken muss“, dem klatscht mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich beim ersten abrollern ein Klatscher Farbe irgendwohin (ins Gesicht z.B.).
Furchtbar ist das! Wären die Räume noch größer, wer soll das aushalten? K. bemerkt, dass es kein Wunder sei, dass die Maler dauernd Bier saufen.

Dann die restlichen Raumkanten abpinseln. Wieder mit dem Pinsel. Zum Glück haben war schon alles abgeklebt!

Dann die Wände mit Farbe berollern. Im Gegensatz zur Decke macht das Spaß.

Probleme gab es mit den Moltifill-Stellen, weil die Farbe nicht richtig gegriffen hat und sich das ganze Theater von der Wand gelöst hat. Grund unklar. Vielleicht war das Gipszeug nicht richtig ausgehärtet? Oder die Farbe hat es wieder angefeuchtet? Oder die Rolle hat eine „Saugwirkung“, von der ich nichts wusste? Wie auch immer – mein Vorschlag: Wenn sie von der Verwandtschaft genug verschiedene Rollen zusammengeschnorrt haben, lassen sie die Moltofill-Stellen mit der großen Rolle aus und machen es mit einem Pinsel oder einer kleinen Rolle. Dabei nicht zu fest andrücken – dann sollte es klappen.

Vor wenigen Stunden hingen hier noch Kabel wilder Wandleuchten heraus.

Am Ende des Tages

Montag, 5. März 2012

Hand- und Hausarbeit 2: Ausmalen 2

Auf jede Kante wurde geschimpft!

Es macht Sinn, nicht zwanzig Mal zum Baumarkt zu fahren – also Kreppband und Farbe zusammen zu kaufen, trotzdem bleiben die Farbeimer vorerst noch zu. Das Prinzip divide et impera verlangt, dass man – um möglichst geschickt zu sein – die wenigen umfangreichen und schwierige Aufgaben in viele kleine aber leichte Teilaufgaben zerlegt. D.h. man klebt nicht alles zu, geht über zu Hand- und Hausarbeit 2 und fängt gleicht mit dem Kleckern an, sondern man macht Hand- und Hausarbeit 1 in allen Räumen, dann Hand- und Hausarbeit 2 in allen Räumen und dann erst beginnt man zu kleckern.

Erschreckend nur, dass die Dinge nur dann gut funktionieren, wenn man arbeitet wie es eine Maschine tun würde!

Utensilien:
Moltofill
Zangen (eine normale Zange, eine Rundzange oder Elektrikerzange)
Spachteln
Ein kleiner Kübel
vielleicht auch Schraubenzieher
Jemanden, der sich mit elektrischen Leitungen auskennt und eine Menge Werkzeug mitbringen kann


In Wänden steckt meistens viel Zeug drinnen – etwa Nägel. Diese müssen vor dem Malen entfernet werden. Suchen Sie die Wände nach Nägeln ab und ziehen Sie die Nägel mit einer Zange heraus. Das ist tatsächlich einfach, achten Sie beim Absuchen aber nicht nur auf die Wände, sondern auch auf Plafond und Wandnischen!
Möglicherweise finden Sie auch Dübel. – Dübel sind so etwas wie heimtückische Nägel, Plastik, das in der Wand steckt, damit irgendwas. Um Dübel zu entfernen, braucht man eine Rundzange oder eine merkwürdig gebogene Elektrikerzange. Diese Werkzeuge können sie irgendwo zusammenschnorren oder sonst im Baumarkt kaufen. Dübel hinterlassen irre große Löscher und eine Menge Dreck kommt mit heraus.

Ein Dübel an der Decke mit dem scheinbar eine Lampe montiert war: Ich hab da herumgezogen, aber nur das Plastik abgerissen. Der Plafond hatte schon ein großes Loch, der Dübel war weiterhin fest. Die eine K. hat mir für solche Fälle folgenden Insider aus der Baubranche (so sag ich dazu) erzählt: Holen Sie ein Schraube und schrauben Sie diese in den Dübel hinein. Wenn die Schraube feststeckt, ziehen Sie die Schraube samt dem Dübel aus der Wand (mit einer normalen Zange). Ich hab mich da ziemlich gewichtig an die Zange hängen müssen und bin dann schließlich zwar mit staubigem Kopf aber auch mit Zange, Schraube und Dübel in der Hand dagestanden.

Löcher und Gedübel.

Neben den soeben gezogenen Löchern, haben Wände noch weitere Löcher, z.B. solche, die keine weitere Erklärung haben („Warum ist da ein Loch?“). Die werden zugespachtelt!
Moltofil ist eine gipsartige Pampe, die man in Löcher schmieren kann, damit sie (die Löcher) verschwinden. Dafür brauchen Sie einen kleinen Kübel. Beim Baumarkt, wo ich das Kreppband noch nachgekauft habe, habe ich eine freundliche Dame gefragt, ob sie einen kleinen Kübel hat, zum Anrühren von Spachtelmasse. Sie hat irgendwie komisch geschaut und gesagt, dass „wir“ 10-Liter-Kübel haben. Ich habe gesagt, dass das zu groß ist und sie hat mit ihren Fingern auf einen Stapel mit Riesen-Kübeln gezeigt und gemeint „Da sind die 10-Liter-Kübel“. Und dann ist sie davongelaufen.
In der Putzabteilung habe ich um 3 Euro einen Schreibtischmülltonne gekauft, die irgendwie ganz lustig ausgesehen hat. Den Deckel hab ich abgenommen und die Mülltonne dann für das Moltofill verwendet.
Wie man das abrührt, steht auf der Packung: 1 Teil Wasser, 2 Teile Moltofill … im Prinzip aber egal, wie viel Wasser man hineingibt … braucht dann halt länger zum Trocknen.

Mit einer Spachtel möglichst geschickt das Moltofill in die Löcher schmieren und verspachtelt. Mir hat das Spaß gemacht. Die Gipspampe braucht länger zum Trocknen als es auf der Packung angeschrieben steht. In zwei Stunden geht da noch gar nichts (auch wenn man es richtig angerührt hat).
Wenn Sie zu viel Herumtrödeln und die Pampe im Kübel zu hart und trocken wird: Wasser nachgießen.

Sehen Sie die verklebten Türstöcke Türstöcke? Sehen Sie auch das Loch, das verspachtelt werden muss? Nie vergessen, den Plafond und die unzugänglichen Ecken abzusuchen!

Es könnte sein, dass Ihnen erst jetzt die Frage kommt, was dieser Lichtschalter eigentlich ein und ausschaltet. Licht? An meiner Wand waren eigenartige Wandleuchten. Mir wurde gesagt, dass Kabel offiziell nur gerade, also vertikal oder horizontal verlegt werden dürfen. Mit dem Zusatz „offiziell“ – so gesagt, dass man die Anführungszeichen förmlich hören könnte. Wandleuchten finde ich eigenartig, was also tun?
Verwandschaft, insbesondere Väter kennen sich scheinbar mit elektrischen Leitungen aus. Manche Väter besitzen auch Metalldetektoren für Kabel in der Wand und Messgeräte für Spannung oder Stromkreise oder so ähnlich. Stellen Sie eine Frage wie „Welche Kabel müssen da entfernt werden?“ und stellen Sie eine Leiter in erreichbare Nähe. Ich staune, welche Kabeln aus der Wand kommen können, wenn man daran zieht.
In etwa 15 Minuten lagen die zahlreichen Kabel, die früher noch aus den Löchern der Wandleuchte gestanden sind, am Boden herum. Nicht vergessen den „FI“ auszuschalten. Das ist ein Schalter im Zählerkasten, der den ganzen Strom deaktiviert. Wikipedia verrät mir: „In der Abkürzung FI steht F für das Wort Fehler und I ist das Formelzeichen für den elektrischen Strom“

Mit Hilfe dieses Kabels konnten die Vormieter/innen RTL und PRO7 schauen.

Wenn Sie den Strom gerade ausgeschalten haben, montieren Sie auch Steckdosen und Lichtschalter ab. Mir hat meine Schwester gezeigt wie das geht. Steckdosen haben eine Schraube in der Mitte, die kann abgeschraubt werden. Das Plastik kann dann mit den Fingern von der Wand abgenommen werden.
Für Lichtschalter braucht man fast nur die Finger, allerdings gibt es verschiedenen Arten von Schaltern: Bei solchen mit großen Schalternflächen: Die große Schaltfläche kann tatsächlich herausgezogen werden, so ruck-zuck mit den Fingern. (so als ob sie den Schalter ewig nach oben kippen wollen). Dann die Plastikabdeckung abnehmen … entweder auch mit den Fingern oder mit einem Schraubenzieher odgl. am Rand nach außen heben. Achtung: Machen Sie das besser am unteren Rand, weil Kratzer oder sonst was entstehen können.
Bei den Schaltern mit den kleinen Flächen, „Kippschalter“, sage ich dazu, zuerst die größere äußere Abdeckung herunternehmen. Ich hab das nicht kapiert und gleich den ersten Kippschalter abgebrochen. Der kleine Pastikteil vom Kippschalter geht gar nicht aus der Wand nehmen, weil das alles irgendwie ein Teil ist. … Keine Ahnung ehrlich gesagt, darum hab ich mich noch nicht gekümmert. Kennt jemand hübsche Steckdosen und dazu passende Lichtschalter?


Außerdem müssen auch die Lampen abmontiert werden … Theoretisch können die auch hängen bleiben, aber mein Ratschlag ist: Schalten Sie das Licht aus, nehmen Sie Ihre Lampen ab. (sobald sie mit den Rollenpinseln und der Farbe herumkleckern werden Sie auch wissen warum)

Es kann auch sein, dass Ihnen erst jetzt auffällt, dass die Dinger, an denen die Vorhänge befestigt worden sind kaputt oder alt oder dreckig sind. Ohne große Probleme können diese Dinger abmontiert werden. „Kanischen“ wird dazu gesagt. Dafür brauchen Sie z.B. einen großen Schlitz-Schraubenzieher. Geht erstaunlich leicht entfernen, wird aber wohl noch viel Arbeit machen.

Sonntag, 4. März 2012

Hand- und Hausarbeit 1: Ausmalen

Die eine K. meint, alle Wände einreißen zu müssen, die andere K. meint, dass keine Arbeit eine Arbeit sei. Und bevor Sie sich beklagen, dass der Titel des Postings mehr verheißt, als sein Inhalt hergibt: Noch bevor Sie mit Hand- und Hausarbeit 1 fertig sind, werden Sie vergessen haben, was in Hand- und Hausarbeit 2 steht.

„Ausmalen“ klingt fröhlich und einfach. „Ausmalen kann ein Idiot“, hat K. heute gesagt, genau so wie Heiner Müller vor seinem Tod gesagt hat „Sterben kann ein Idiot“. Ich kenne „Ausmalen“ von den Malbücher; da sucht man sich einen lustigen Buntstift aus und kritzelt vor sich hin. Dass das Ausmalen von Räumen Arbeit für die Knochen ist, kommt damit überhaupt nicht zur Geltung.

Utensilien:
Kreppband, Folie, Schere

Es gibt eine Mr. Bean Episode, bei der Mr. Bean ausmalt. Zuerst wickelt er alles in seiner Wohnung in Zeitungspapier ein: Sessel, Tische, Regale und sogar seine Weintrauben. Tatsächlich müssen Sie das auch machen.

Vorbereitung

Kreppband bekommt man im Baumarkt in verschiedenen Breiten. Fünf Euro kostet eine breite Rolle mit so ca. 5 cm. Ich empfehle die breite Rolle.
Folie kann man sich von Verwandten zusammenschnorren, die so etwas im Kellern herumstehen haben (die meisten Verwandten haben auch noch angebrauchte Kreppband-Rollen im Keller, die geben aber meistens nicht viel her, weil sie entweder schmal sind oder schon alt und nicht mehr richtig kleben). Man kann auch alte Leintücher oder Papprollen oder so etwas statt Folie (oder zusätzlich!) nehmen. Wichtig ist, dass Sie etwas haben, das einigermaßen gut abdeckt und mehr oder minder undurchlässig für Flüssigkeit ist (das sind Leintücher zwar nicht aber sie werden sich ja nicht Kleckern wie ein Schwein).

Besorgen Sie sich genug Klebenband! Ich musste während des Klebens zum Baumarkt fahren und noch mehr Kreppband kaufen. Eine Rolle Kreppband pro Raum ist eine gute Angabe zum Schätzen. Was übrig bleibt, können auch Sie im Kellern verwahren!

Wenn alles beisammen ist, macht man im Prinzip das selbe wie Mr. Bean, es ist nur nicht so lustig. Am Boden herumliegen und Folie an die Sesselleisten kleben. Folie an die Türrahmen kleben. Heizkörper einwickeln und abkleben. Fenster abkleben. Etc. Für wenigstens einen Tag wird Ihr Sichtfeld auf wenige Quadratzentimeter beschränkt sein: Folie und Klebeband, abwechselnd vor dem Hintergrund Sesselleiste, Türrahmen, Fensterrahmen oder ähnliches.

Auf jede Kante werden Sie schimpfen!

So weit kommen Sie ohne Leiter.


Wussten Sie: Dass diese Folie doppelt zusammengerollt ist? D.h. man klebt ein Ende an die Sesselleiste und dann kann man die zweite Seite darunter hervorziehen. Ein Spektakel! Dabei die bereits geklebte Seite gut einhalten, sonst war die ganze Fitzlerei umsonst.

Am Ende des Sonnenlichts